Montag, 31. März 2025

Raketenstart rückwärts: Erfolgreicher Absturz

Majestätischer Absturz ins Meer bei Norwegen: Die "Spectrum" von Isar Aerospace untermauert Europas Weltraumambitionen.

Es lagen genau 30330 Tagen  zwischen diesen beiden historischen  Versuchen, mit einer deutschen Rakete bis ins Weltall gelangen. Am 16. März 1942 scheiterte der erste noch auf der Startrampe. Das "Aggregat 4", die weltweit erste noch nicht voll funktionsfähige ballistische Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk explodierte unmittelbar nach der Zündung der Triebwerke. Erst drei Monate später glückte es dem Entwicklerteam um Wernher von Braun, den späteren Vater des amerikanischen Weltraumprogramms, mit einer zweiten Rakete die Schallgrenze zu durchbrechen und eine Höhe von fast fünf Kilometern zu erreichen, ehe Treibstoffpumpe versagte und das 14 Meter hohe Fluggerät unkontrolliert abstürzte.

Angriff auf den Weltraum

Fast auf den Tag genau 83 Jahre später gelang es deutschen Technikern und Ingenieuren nun erstmals wieder, einen Angriff auf den Weltraum zu starten. Vom norwegischen Weltraumbahnhof Andøya aus hob die "Spectrum"-Rakete ab. Fünf Meter länger als die berühmte V2 und mit einem um 40 Zentimeter größeren Durchmesser, soll das Geschoss aus der Gemeinde Reischach im bayrischen Landkreis Altötting eines Tages wie von Brauns Aggregat Nutzlasten von bis zu 1.000 Kilogramm transportieren können. Im ersten Anlauf schon deutete die "Spectrum" ihr Potenzial an: Sie flog fast 500 Meter höher als ihre Vorgängerin im Jahr 1942 und sie explodierte zur Freude ihrer Entwickler nicht auf dem Launchpad, sondern erst nach dem Aufschlag im Meer einige Meter vom Ufer entfernt.

Erster Baustein

Ein erster Baustein zum Triumph der im November verkündeten europäischen Weltraumstrategie, mit der die EU unabhängig von amerikanischen Trägerleistungen und Starts im Einflussbereich des autokratischen US-Systems werden will. Neben der vom Staatskonzern Airbus gebauten Ariane 6, deren Entwicklung dem Zeitplan bislang um vier Jahre hinterherflattert, sind mehrere weitere Geschosse in der Entwicklung. HyImpulse bastelt an einem "Microlauncher", der umweltfreundlich mit Kerzenwachs angetrieben wird und 250 Kilogramm befördern können soll. Isar Aerospace, mitfinanziert von Airbus, der Nato und dem Heizungshersteller Vissmann, ist Preisträger des  "TUM Presidential Entrepreneurship Award" und Teil des "Commercial Space Transportation Services und Support" Programms.

Europas Ambitionen

Europas Ambitionen sind groß, seine Raketen winzig. Während die Falcon 9 von SpaceX 70 Meter Länge misst und das in der Entwicklung befindliche Starship auf 120 bis 150 kommt, entsprechen die Abmaße der deutschen Konkurrenten etwa denen der 1953 in der damaligen Sowjetunion entwickelten Interkontinentalrakete R-7. Nur fliegen können sie noch nicht, von einer gesteuerten Landung ganz zu schweigen, wie sie die Booster der Falcon Heavy seit sieben Jahren beherrschen. Dafür sind die Traglasten der deutschen Entwicklungen überschaubar: Um die Last von 64 Tonnen ins All zu bringen, die eine einzige Falcon Heavy transportieren kann, müsste die "Spectrum" 64 Mal starten, die SR75 von HyImpulse mehr als 200 Mal. 

Die Ariane 6 schafft das mit nur drei Starts zum Preis von 480 Millionen Euro - insgesamt sind das nur 400 Millionen Euro als der Transport mit der Falcon Heavy kosten würde. Das macht Druck auf den Marktführer aus den USA, von dem sich auch das Deutsche Weltraumkommando (WRKdoBw) mit Sitz in Uedem sich möglichst schnell lösen will.

Teil der EU-All-Agenda

"Angesichts eines geopolitischen Kontexts, der von sich verschärfenden Machtkämpfen und von zunehmenden Bedrohungen geprägt ist", so hatte die EU ihre ehrgeizigen Pläne zur Eroberung des Alls umrissen, sei der "Weltraum im Strategischen Kompass als einen strategischen Bereich identifiziert" worden. Seiten trägt "die Raumfahrt auch zur Verwirklichung der politischen Agenda der EU bei, da sie zu den Wegbereitern des digitalen und des ökologischen Wandels gehört und die Widerstandsfähigkeit der EU erhöht".

Der Absturz der "Spectrum" war so gesehen ein deutliches Signal über den Atlantik. Die EU belässt es nicht bei einer Kampfansage, sie kämpft wirklich mit allem, was sie hat. Der "erfolgreiche Start" (Tagesschau), eine diesmal nicht mit Ethanol und Flüssigsauerstoff, sondern mit Propan und Flüssigsauerstoff betriebene Rakete 30 (Stuttgarter Zeitung) oder sogar 45 Sekunden (MDR) in der Luft gehalten und sie zudem auf die Flughöhe eines Polenböllers gebracht zu haben, zeigt, dass Isar Aerospace über eine "offensichtlich gut funktionierende Hardware" verfügt, wie Ulrich Walter gelobt hat. Der frühere Astronaut und ehemalige Professor für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität (TU) München vermutet in der Steuerungssoftware die Fehlerquelle. Die lasse sich relativ leicht finden "und in Minuten korrigieren."

Straftatbestand Lüge: Muss Friedrich Merz jetzt ins Gefängnis?

Schon in Kürze sollen Politiker nicht mehr lügen dürfen.
Die SchuKo in Berlin ist entschlossen, der Politik die schärfste Waffe zur Wählerüberzeugung aus der Hand zu schlagen: Schon in Kürze sollen Politiker nicht mehr lügen dürfen.

Da geht nun endlich mal eine "Koalition der Problemlöser" (Jens Spahn) an den Start, die Vertrauen zurückgewinnen will. Friedrich Merz und Lars Klingbeil, Saskia Esken und Carsten Linnemann sind zu allem entschlossen, um allen alles zu geben, was sie so lange vermisst haben. Ein Gefühl des Aufbruchs. Den Eindruck, dass es "wieder nach vorne" geht, wie Friedrich Merz im Wahlkampf hatte plakatieren lassen.  

Die Liebe der Deutschen zur Obrigkeit

Dass es schnell gehen wird, bis die Liebe der Deutschen zu ihren Führerinnen und Führern wieder in voller Blüte steht, davon geht niemand in Berlin aus. Doch dass noch lange gewartet werden kann, erscheint auch ausgeschlossen. Zu bedrohlich ist die Lage, in der innen- wie außenpolitische Unsicherheiten immer wieder Raum für Feinde der Demokratie lassen, um Zweifel zu wecken, mit Hass gegen bewährte Institutionen zu hetzen oder Hohn über einzelne Vertreter staatlicher Interessen auszuschütten.

Viel ist versucht worden, um das Aushandeln des Zusammenlebens sicherer zu machen. Vor einem Jahr erst reagierte die damalige Notregierung mit einem Hohnverbot auf fortgesetzte Versuche von rechts, Humor als Waffe gegen die Meinungsfreiheit zu nutzen. Satire darf seitdem alles, aber nicht im Bezug auf jeden. 

Geschützt hinter der Brandmauer

Amtsträger sind durch eine Brandmauer aus Majetätsbeleidigungsparagrafen eigens vor Nachstellungen geschützt. Der Staat selbst ist durch das Verbot der staatsgefährdenden Delegitimierung krisensicherer geworden, ohne deshalb vollumfänglich in die vordemokratischen Verhältnisse zurückzufallen, die noch das Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 vorgesehen hatte. Damals konnten Querdenker und Staatsleugner noch wegen der Beleidigung ihres "Landesherren" oder des "Bundesfürsten" abgestraft werden. 

Ab 1922, hundert Jahre vor Inkrafttreten der ersten Ampelregierung in Berlin, trat das erste "Gesetz zum Schutz der Republik" in Kraft. Erstmals gelang es damit, eine nichtpersonifizierte Staatsform selbst unter Schutz zu stellen. Eine Idee, die 1932 mit der "Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens" ausgebaut wurde, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches aber zunehmend erodierte. 

"Schwarz-rot-gelb" als Verleumdung

Hielten es höchste Richter in den frühen Jahren der Bundesrepublik noch für ein böswilliges Verächtlichmachen der jungen Republik, sie als "Bonner Staatsgebilde" zu bezeichnen, das neben dem "von Übermacht zu Boden gedrückten Reiche" wie "eine frisch gestrichene Coca-Cola-Bude" aussehe (BGHSt 3, 346) und die Bezeichnung des Landes Niedersachsen als  "Unrechtsstaat" ebenso als einschlägig verurteilten wie die Bezeichnung der Nationalfarben als "schwarz-rot-gelb", kippte der Trend später in Richtung lasch und nachsichtig. 

2008 hob das Bundesverfassungsgericht eine Verurteilung wegen der Bezeichnung der aktuellen deutschen Farben als "Schwarz-Rot-Senf" als verfassungswidrige Verletzung der Meinungsfreiheit auf. Auch eine Bezeichnung als "verkommen" müsse der Staat dulden, denn freie Rede bedeute nicht, dass Bürger "die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen" verpflichtet seien.

Der duldsame Staat

"Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht", hieß es im Urteil. Aus Art. 5 Abs. 1 GG erwachse ein "besonderes Schutzbedürfnis der Machtkritik", denn "anders als dem einzelnen Staatsbürger kommt dem Staat kein grundrechtlich geschützter Ehrenschutz zu", so dass er " grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten" habe.

Gerade die Zulässigkeit von Kritik am System sei "Teil des Grundrechtestaats" und die "Schwelle zur Rechtsgutverletzung erst dann überschritten, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise der Meinungsäußerung der Staat dermaßen verunglimpft wird, "dass dies zumindest mittelbar geeignet erscheint, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden".

Aufgabe Eigenschutz

Hohe Hürden, die eine Regierung zum Eigenschutz zu überwinden hat, ist es ihr doch nach den Urteilen früherer Verfassungsrichter nicht gestattet, mit Verboten gegen den "Inhalt einer Meinung", sondern allenfalls gegen die "Art und Weise der Kommunikation" vorzugehen. Die Bundesinnenministerin und der Präsident des Bundeskriminalamtes und der damals noch amtierende Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) versuchten es mit dem erlassenen Hohnverbot dennoch. Ohne offizielle und aufwendige Gesetzesänderungen machten sie allen, die die Versuchung in sich spürten, zu sagen, was sie denken, klar, dass Verhöhner es "mit einem starken Staat zu tun bekommen" würden. 

Ein funkelnagelneuer Phänomenbereich "verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" entstand. Ein Netzwerk von Meldestellen und privatwirtschaftlich organisierten Initiativen zur Erfassung von Bestrebungen entstand, um  Angriffe zu erfassen, "die durch die systematische Verunglimpfung und Verächtlichmachung des auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung basierenden Staates und seiner Institutionen bzw. Repräsentanten geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in diese Grundordnung zu erschüttern" (vgl. BT-Drs. 20/774). 

Drei Jahre Haft

Zwar wurde das "Verhöhnen des Staates" dadurch nicht zu einem echten Straftatbestand des Strafgesetzbuches (StGB). Doch ohne allzu strikte Grenzziehung zur "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB,  Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) ließ sich zumindest medial ein Klima der Angst schaffen, bei dem so mancher zweimal überlegte, ehe er beschloss, nicht selbst auszuprobieren, was man vielleicht doch noch hätte sagen dürfen.

Wird heute schon ausreichend streng bestraft, wer durch das Verbreiten eines Inhaltes Organe der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder angreift? Oder braucht es zur Durchsetzung eines umfassenden Ehrenschutzes für Parlamente, Behörden und öffentliche Institutionen der Einführung eines Straftatbestandes, der das Äußern falscher Tatsachen strikt unter Strafe stellt?

Teil der Politikwende

In den Hinterzimmern der Koalitionsverhandlungen der künftigen SchuKo scheint die Entscheidung gefallen. Angesichts des Gemäkels und Bemängelns der offiziell noch gar nicht vorgestellten Details der großen "Politikwende" (Friedrich Merz) haben Union und SPD sich entschlossen, die traditionelle öffentliche Kommunikation weitgehend zu beenden. Laut Grundgesetz sei "die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt"

Die SchuKo hat sich deshalb jetzt kurzerhand darauf geeinigt, Lügen strafbar zu machen - Strafrahmen derzeit noch unbekannt. Zielgruppe aber klar umrissen: Seit Otto von ist bekannt, dass niemals so viel gelogen wird "wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd". Immer haben das sowohl die Bevölkerung als auch die Medien als Teil der politischen Kultur im Land geduldet, ja, stillschweigend akzeptiert und zeitweise sogar beklatscht. 

Schlimmer als nach der Jagd

Von "es wird niemandem schlechter gehen" (Helmut Kohl) bis zu "keine Steuererhöhungen nach der Wahl" und "Deutschlands Grenzen lassen sich nicht bewachen" (Merkel) bis zur "Pandemie der Ungeimpften“(Jens Spahn), "Lockdowns im Freien sind effektiv"(Lothar Wieler) und der "sofortigen Grenzschließung für alle Flüchtlinge" (Friedrich Merz) führt eine gerade Linie zum neuen Lügenverbot.

Um Vertrauen wiederzuerlangen, soll es Politikerinnen und Politikern künftig untersagt sein, aus taktischen Gründen zum Betrug zu greifen, etwa indem Wählerinnen und Wählern die Auszahlung eines sogenannten Klimageldes versprochen, um die steil ansteigende neue CO2-Steuer zu kompensieren oder die Meinungsfreiheit zum Erzählen von Märchen wie dem des sich unaufhaltsam nähernden Aufschwungs bei Stimmung zu halten. 

Auch die Verbreitung von Horrorgeschichten aus den Pressestellen von Terrororganisationen, aus Propagandagründen nachgeschärfter Grafiken und krude Wahlumfragen wäre dann strafrechtlich relevant: Von Amts wegen träten Staatsanwälte in Aktion, um Politikernöffentlich-rechtlichen Fernsehsendern  und in den Grauzonen der Gefälligkeitsforschung tätigen Wissenschaftlernden  das schmutzige Handwerk zu legen.

Diskussionen nur noch mit Tatsachenmaterial

Friedrich Merz geht mit dieser neuen, gemeinsam mit SPD-Chef Lars Klingbeil entworfenen neuen und umfangreichen Schutzbestimmung ein gewaltiges Risiko ein. Zwar wird es die künftig allein die Wiedergabe staatliche bestätigter Tatsachen beschränkte Meinungsfreiheit bald nicht mehr erlauben, beleidigende und hasserfüllte Ansichten zu teilen, laut denen der CDU-Chef sich "an die Macht gelogen" habe, wie es der früher führende Grüne Anton Hofreiter in einer letzten Aufwallung behauptet hat. 

Doch gerade in der Übergangszeit vom gewohnten alten Meinungsrecht zu den neuen gesetzliche Begrenzungsregelungen, die im politischen Berlin auch als "Lügenbremse" bezeichnet wird, kann es zu Verwerfungen kommen. Was vor zwei Jahren noch als nahezu grenzenloses Recht beschrieben wurde, nach dem "jeder in Deutschland alles sagen und schreiben könne, so lange es sich nicht um "Beleidigungen, Hass und Hetze und Verstöße gegen gesetzliche Regelungen wie z.B. den Jugendschutz" handele, erfährt mit der neuen Engführung eine strenge Begrenzung. 

Politik beschränkt sich selbst

Die Politik verlierte ihre bisher straflos genutzte Möglichkeit, zu lügen, wo immer es angebracht schien. Es wird künftig unmöglich, mit sogenannten "Wahlversprechen" beim Bürger zu punkten, weil den Versprechenden nach gewonnener Wahl die Gefahr droht, vor Gericht und im Gefängnis zu landen.

Dass Friedrich Merz nach der Abschaffung des bisherigen Rechts zur Lüge (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB) selbst als erstes Opfer der Neuregelung einfährt, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Das lange umfassend geltende Rückwirkungsverbot ist zwar in den zurückliegendenden drei Jahrzehnten immer wieder beschnitten und in Fällen gesellschaftlich notwendiger Entscheidungen aufgehoben worden, dürfte aber in diesem Fall im Koalitionsvertrag festgeschrieben werden. Zu angespannt ist die innere und äußere Lage, als dass Lügen wären damit erst vom Tag der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt strafbar.

Straffrei in der Übergangszeit

Eine deutliche Erleichterung privaten Umgang der Bürger miteinander, denn vorerst blieben Lügen straffrei und eine Täuschung durch das gezielte Provozieren eines Irrtums bei einem anderen, um ihn "zu einer Fehlvorstellung über unbestreitbare Tatsachen zu verleiten" drohte nicht, sofort in einer der neuen, großzügigen EU-Einzelzellen zu enden. Auch aus historischer Sicht endet die Kulturgeschichte der "Lüge", mit der sich von Aristoteles über Jean Jacques Rousseau bis Kant alle großen Philosophen beschäftigt hatten, nicht mit einem Knall, sondern  in einer leisen Auslaufrille. 

Mahlen die Mühlen der Umsetzung des Lügenverbots so langsam wie es im politischen Berlin der Sorgfalt halber meist für angebracht gehalten wird, wird die "Weihnachtsmannlüge", ein der bekanntesten unwahren Tatsachenbehauptungen, am Ende diesen Jahren noch einmal genutzt werden dürfen, um ahnungs- wie arglose Kinder hinter die Fichte zu führen. Erst wenn die frischen Milliarden aus den Sondervermögen fließen, dürfte sich das ändern: Täuschungs- und Manipulationsvergehen, illegal weitererzählte Märchen und Versuche, Falschdarstellungen zu verbreiten, werden dann nich mehr nur von mutigen Männern wie Stefan Wenzel, Fabio de Masi) und großen Medienhäusern wie dem "Spiegel" als "Lügner" enttarnt, sondern von der Justiz verfolgt und bestraft werden.


Sonntag, 30. März 2025

Zurück in die Zukunft: Wehrwillig und kriegstüchtig

 

Dank einiger sanfter Korrekturen in der deutschen Synchronisation, die den Charakter der Dialoge in eine progressive Richtung änderten, wurde aus der reaktionären und antidemokratischen  Gesellschaftsdoktrin der Zweiklassengesellschaft in Paul Verhoevens Kriegssatire "Starship Troopers" aus dem Jahr 1997 ein Klassiker der Wehrtüchtigkeitserziehung im Angesicht eines übermächtigen Feindes. Eine simplifizierte Militär- und Aufrüstungsdoktrin wird als unerlässlich zur Verteidigung einer als besser erkannten Art der Zivilisation gegen einen Gegner ausgestellt, dem niemand trauen könne, der aus unverständlichen Motiven handele und tief innerlich von einer irrationalen Boshaftigkeit angetrieben werde. 

Die "Starship Troopers" sind leicht als Bundeswehr- oder Nato-Truppen zu erkennen, auch, weil irritierende Textpassagen geglättet und demokratisiert wurden. "Dieses Jahr erforschten wir das Scheitern der Demokratie, wie die Sozialwissenschaftler unsere Welt an den Rand des Chaos brachten. Wir sprachen über die Veteranen, wie sie die Kontrolle übernahmen und die Stabilität erzwangen, die mittlerweile seit Generationen anhält", heißt es im englischen Original, das Bezug nimmt auf eine Gesellschaft, in der eine bestimmte Elite, die "die Kontrolle" übernommen hat. 

Um niemanden vor den Kopf zu stoßen oder Teile der Bevölkerung zu beunruhigen, wurde daraus in Deutschland: "Unser Thema war dieses Jahr die politische Entwicklung seit der Jahrtausendwende und wie Außerirdische diese Entwicklung beeinflusst haben. Wir sprachen über die Bugs, wie sie die Erde angriffen und Tausenden unserer Vorfahren den Tod brachten."

Ein ganz spezieller Siegeszug: Der Euro als die neue Lira

Der Euro hat vom Tag seiner Einführung an begonnen, Kaufkraft zu verlieren. Durch ein kollektiv geschaffenes Meisterwerk der medialen Manipulation gelang es. Millionen davon zu überzeugen, dass nicht der Euro fällt, sondern nur der Goldpreis steigt.

Gold wird immer teurer und irgendwer ist stets daran schuld. Diesmal sollte es Donald Trump sei, der mit seiner Zollpolitik dafür sorgte, dass der Goldpreis so hoch stieg wie nie zuvor. Eine Feinunze für  2.762,14 Euro, acht Prozent teurer als noch zu Beginn des Jahres, 40 Prozent teurer als vor einem Jahr und knapp doppelt so teuer wie vor fünf.  

Alle Warnungen von Politikern, Verbraucherschützern und Anlageberater - "Gold bringt keine Zinsen!" (Tagesschau) - sind verpufft. Der Preis des Edelmetalls ist sogar schneller gestiegen als die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland, die Einnahmen des deutschen Finanzministers und - allerdings nur ganz knapp - die Umfragezahlen der AfD.

Schneller als die AfD

Auch zum Schweizer Franken verliert der Euro stabil.
Was ist da los? Woran liegt das? Ist es wirklich die Unsicherheit über amerikanische Zölle? Der Krieg in der Ukraine? Der schleppende Klimaumbau? Die Unsicherheit über die Zusammensetzung der künftigen Bundesregierung und deren Kurs bei Zustrombegrenzung, Remigration und Sanierung der Wirtschaft? 

Doch der Anstieg hält schon länger an. Seit die Bundesbank vor zehn Jahren verkündete,  sie werde einen großen Teil ihrer Goldvorräte aus dem amerikanischen Exil in New York heim ins Reich holen, damit das Edelmetall hier beim Euro-Rettungseinsatz helfen könne, hat sich der Goldpreis verdreifacht. Ein Kurschart des Edelmetalls sieht inzwischen aus wie eine Temperaturkurve der EU-Klimaagentur Copernicus: Der legendäre Hockeyschläger, dessen abgewinkeltes unteres Ende sich der 90-Grad-Biegung nähert.

"Mit dem Goldpreis geht es nach oben", staunen die Beobachter, schuld sei auch ein "Rekordjahr für die globale Nachfrage" (FAZ), befeuert von Zentralbanken und den "Käufern von Gold-ETFs" In dieser Zeit hat sich das Edelmetall mehr als acht Prozent verteuert.  "Alle wollen Gold", hatte die "Tagesschau" vor Monaten bereits festgestellt. Und die sinkenden Zinsen, "aber auch strategische Erwägungen der aufstrebenden Schwellenländer" verantwortlich gemacht. Die Notenbanken Chinas, Russlands und der Türkei stockten "ihre Goldbestände enorm auf" und trieben damit Goldpreis.

Zum Golde drängt

Diesmal nicht. Diesmal sind es wieder die Amerikaner, nächstens werden es die Inder sein, die sich so gern Schmuck schenken. Irgendwas ist immer, und immer hat es mit nichts mit der Geldpolitik im Euroraum oder in den USA zu tun. Oder die EZB die Zinsen weiter, trotz anhaltend hoher Inflation, weil die wirtschaftliche Depression im Euroraum bedrohlicher erscheint als der nächste Geldentwertungsschub, erscheint in den Analysen der Welterklärer nebensächlich zu sein. Die offizielle Erklärung der Teuerung bei Gold, das seit Einführung des Euro einen Preisanstieg um sagenhafte 94 Prozent erlebt hat, ist dieselbe wie überall: Die Dinge kosten halt mehr. Dafür gibt es aber eben auch mehr Geld.

Diese Erklärung zu verbreiten, sie immer wieder zu wiederholen und sie so nachhaltig in die Köpfe von Millionen gepflanzt zu haben, dass 99,9 Prozent der Menschen nicht einmal auf die Idee kämen, es könne sich um Fake News handeln, ist eine der größten Leistungen, die die moderne Mediengesellschaft vollbracht hat. 

Tatsächlich ist im Zusammenwirken von Politik, Fernsehsender, Publikumsmedien und Wissenschaft das Unglaubliche geglückt: Dass die Kaufkraft des Euro wie des Dollar gegenüber allen wertstabilen Anlageklassen galoppierend verloren hat, erscheint nicht mehr als logische Folge einer Politik des billigen Geldes. Sondern als episodische Erscheinung, ausgelöst durch eine von irregeleiteten Anlegern betriebene "Suche nach Sicherheit".

Welche Sicherheit

Sicherheit vor wem? Sicherheit wovor? Die entscheidende Frage beantwortet die Deutsche Bundesbank seit Jahren mit jeder einzelnen Gedenkmünzenprägung. Schon 2010 wies das Bundesfinanzministerium an, die traditionellen Zehn-Euro-Münzen nicht mehr aus 925er Silber zu prägen, sondern künftig nur noch verdünntes 625er zu benutzen, um finanzielle Schäden zu vermeiden. Der Preis des Silbers, das die Bundesbank für die Prägeanstalten einkaufen musste, drohte, höher auszufallen als der Verkaufspreis zum Nennwert von 10 Euro. 

Nach nur fünf Jahren reichte das nicht mehr. Wieder war kein Geld mehr zu machen mit Silbermünzen, weil deren Materialwert den Verkaufspreis übertraf. Die guten Kaufleute in der Merkel-Regierung aber fanden einen Ausweg: Auf Beschluss der Bundesregierung wurde die Emission von 10-Euro-Sammlermünzen eingestellt. Stattdessen werden seitdem Münzen mit dem aufgeprägten Nennwert von 20 Euro ausgegeben, bislang noch immer hergestellt aus einer Legierung von 925 Tausendteilen Silber und 75 Tausendteilen Kupfer.

Verdünnte Staatsmünzen

Wie lange noch, ist unklar. Der steigende Goldpreis zieht einen steigenden Silberpreis hinter sich her, bei Lichte besehen steigen beide eigentlich auch gar nicht, weil sie einfach nur zeigen, dass die Kaufkraft des Euro sinkt - nicht nur gibt es für einen Euro der "stabilen Einheitswährung" heute weniger Gold, weniger Silber, weniger Bier, Brot und VW Golf. Nein, es gibt auch weniger Siemens-Aktie, weniger SPD-Aktie, weniger Dax, weniger Dow, weniger Schweizer Franken, weniger japanische Aktien, weniger chinesische, weniger Haus in der Innenstadt und weniger Haus auf dem Land, weniger Acker, weniger Bitcoin, Solana und XRP. 

Der vermeintlich steigende Goldpreis ist eine Funktion des Euro, der sich seit Jahren im freien Fall befindet, wie Thomas Mayer sagt. Der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank und Gründungsdirektor des "Flossbach von Storch Research Institute" hat seine Beschreibung als Warnung  vor einem anhaltenden Wertverlust des Euros verkleidet. Sollte der Euro sich weiter zur Weichwährung entwickeln, so der Ökonom, werde er langfristig keinen Bestand haben. 

Doch wer sollte oder könnte wie dafür sorgen, dass eine Entwicklung, die der Euro-Einführung vor 22 Jahren schnurstracks und nahezu ohne jede Gegenbewegung (Grafik oben links) vonstattengeht, abbremst oder sich sogar umkehrt? 

Lieber doch Geldentwertung 

Die letzten Entscheidungen der EZB zeige, dass die Zentralbank aufgegeben hat. Obwohl das vermeintliche knallharte Ziel einer Inflationsrate von um die zwei Prozent weiterhin in weiter Ferne liegt, entschloss sich Zentralbankchefin Christine Lagarde auf Wunsch der Euro-Staaten, die erst vor zweieinhalb Jahren vorsichtig zugedrückten Geldschleusen wieder weit zu öffnen. 

 Bedrohlicher als die Folgen einer Verwandlung des Euro in eine neue italienische Lira (Grafik oben rechts) erscheint den Notenbankern und ihren politischen Auftraggebern die drohende wirtschaftliche Depression. Der Nebeneffekt der Geldentwertung ist zudem verführerisch: Je weniger ein Euro wert ist, desto weniger schwer wiegen Schulden. Von denen hat niemand mehr als die Staaten, die zudem von der kalten Progression profitieren, die wie eine Sondersteuer wirkt und die Staatseinnahmen ungeachtet der maroden Wirtschaft explodieren lässt.

Samstag, 29. März 2025

Zitate zur Zeit: Der späte Kontinent


Heute fordere ich andere Nationen auf, unserem Beispiel zu folgen und Ihre Bürger von der erdrückenden Last der Bürokratie zu befreien. 

Beim Weltwirtschaftstreffen in Davos im Januar 2020 riet Donald Trump den Mächtigen der Welt "ihre eigenen Länder so führen, wie Sie es wollen".

Hausherren von Morgen: Generation Pleite

Mia Müller hat zu spät bemerkt, dass die neuen Sonderschulden kein Geschenk der Bundesregierung an die junge Generation sind. Die 26-Jährige ist deshalb ganz schön sauer.

 

Verstanden hat sie es nicht. Mia Müller schüttelte den Kopf. "Ich habe doch aber gar nichts unterschrieben", war sich die 26-Jährige aus der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin sicher. Sie passe da immer sehr genau auf, weil sie von vielen Freundinnen gehört habe, dass es viele Fallen gäbe, die von ausgebufften Betrügern gestellt würden. "Bevor ich einen  Vertrag unterschreibe oder im Internet auf einer Seite kaufe, auf der ich noch nie war, frage ich meist bei meinem Vati nach, bei meinem älteren Bruder oder ich gucke selbst bei der Verbraucherzentrale, ob es da Warnungen gibt." Erst wenn sie sicher sei, dass es sicher sei, klicke sie weiter. "Ich will ja nicht für irgendetwas zahlen, was ich nicht bestellt habe."

Selbstbewusst und jung

Müller entstammt einer Generation  junger, selbstbewusster Frauen und Männer, die genau wissen, was sie wollen und wie sie es bekommen können. Aufgewachsen im besten Deutschland, das wir je hatten, haben sie gelernt, gut und gerne zu leben, Die sind die Jugend nach der, die noch hohe Mobilfunkgebühren beklagte, die, die nicht mehr in Kneipen geht, weil es viel zu teuer ist. Und die, für die es sich vollkommen normal anfühlt, für die Eintrittskarte zum Stadionkonzert einer Lieblingssängerin 200 Euro auf den Tisch zu legen. In der Schule hat man den jungen Leuten gesagt, dass sie einst die Zukunft gestalten werden. Großen Wert legen sie deshalb darauf, dass noch etwas von dieser Zukunft übrig ist: Die Rettung des globalen Klimas beschäftigt sie sehr. Jede Fernreise treten sie mit schlechtem Gewissen an. Selbst ein Einkauf bei Temu und Primark lässt sich schwer einschlafen.

Doch die Mia Müllers, die in zehn, zwanzig Jahren das Ruder übernehmen werden, sind selbstbewusst und sie wissen genau zu unterscheiden zwischen Privatangelegenheiten und  gesellschaftlich notwendigen Entscheidungen. Das eine muss, das andere kann. Umso größer aber war der Schock, als Mia Müller vor kurzem die ganze Wahrheit über ihre finanzielle Zukunft erfuhr, die die Tochter eines Lehrer*innenehepaares bisher für "recht gesichert" gehalten hatte, wie sie selbst sagt. 

Seit Jahren spare sie kleine Beträge regelmäßig in einen World-ETF. Wenn sie mit dem Studium fertig sei, werde sie als Lehrerin "auch nicht schlecht verdienen", weiß sie aus dem Elternhaushalt. Zudem hätten sowohl die Ampelregierung als auch der designierte Kanzler Friedrich Merz stetes betont, wie wichtig ihnen eine sichere Zukunft für kommende Generationen sei. "Wenn Politiker sowas sagen", beteuert Mia Müller, "dann vertraut man dem natürlich als junger Mensch". 

Vertraute Parolen

Dass Parolen wie "der Jugend Vertrauen und Verantwortung" einzig dazu dienen könnten, die junge Generation für den Wiederaufbau Europas, die Klimarettung durch Verzicht und das Waffenhandwerk  zu begeistern, erschien Mia Müller unvorstellbar. Für die frühere Leistungssportlerin, die sowohl im Tennis als auch im Turnierreiten mehrere Landesmeistertitel holte, war das moderne Deutschland stets ein Staat der Jugend, der alles tat, um Chancen für Erfolgsgeschichten schreiben zu helfen. 

Die Geschichte der Bundesrepublik als eine endlose Abfolge von leerlaufenden Mobilisierungsinitiativen gegen den Faschismus, Weltrettungsmissionen und Gelöbnissen zur Anstrengung für Nachhaltigkeit, Vielfalt oder Antifaschismus zu sehen, sei ihr nie eingefallen, sagt die hübsche Blondine. Mia Müller glaubte lange, dass sie durch die zwei Stunden DDR-Geschichte, die am Gymnasium gegeben wurden, auf jeden Fall in der Lage sein werde, eine Instrumentalisierung jungen Leute zu erkennen, wenn sie ihr begegnet wäre.

Die selbstbestimmte Jugend

"Dort drüben wurde die Jugend ja staatlich organisiert und auf eine Rolle als Kampfreserve der Partei eingeschworen." Die Freiheit, sich selbst zu entscheiden, mit welcher NGO man solidarisch sei, hätten die jungen Menschen im kommunistischen Regime wohl nicht gehabt. "Wir dagegen bestimmen selbst, wie wir unsere Zukunft gestalten."

Vier-Tage-Woche oder Homeoffice? Enger Gürtel oder Hidjab? Mia Müller war nach Jahren im Zentrum einer ideologischen Bearbeitung durch Bildungssystem, Politik und Medien fest überzeugt, dass all die schönen Verheißungen, von denen so oft die Rede war, noch in ihrer Lebensspanne Realität werden. Klimaneutralität. Elektromobilität. Weltfrieden. 5G-Versorgung an der letzten Milchkanne. Ein Ende des Hungers in Afrika und der Armut in Deutschland. Sie würden die ersten sein, so glaubten die Mädchen und Jungen, die in den Schröder-Jahren um die Jahrtausendwende zur Welt gekommen waren, die im Kommunismus wohnen würden, ohne dass es ein Kommunismus sein würde.

Ihr selbst sei klar gewesen, dass bis dahin noch harter Anstrengungen brauchen werde, mit aufgekrempelten Ärmeln, Feuereifer und einem optimistischen Lied auf den Lippen, aber auch mit viel Verzicht, sagt Mia Müller. "Aber wenn wir Zuversicht zeigen und alle an einem Strang ziehen, da war ich immer sicher, kann niemand uns aufhalten – nicht einmal die Diktatoren in Washington und Moskau." Bestärkt habe sie das Vertrauen, das sowohl der scheidende Kanzler Olaf Scholz  als auch sein Nachfolger jungen Leuten immer wieder ausgesprochen hätten. "Im Freundeskreis waren wir überzeugt, dass alle demokratischen Parteien auf uns setzen."

Hausherren von Morgen

Nur das wie hat Mia Müller verstört. So gern sie die Deklarationen immer gehört habe, dass der Jugend alles Vertrauen und Verantwortung gehöre und sie die Zukunft des Landes sei, quasi die "Hausherren von morgen", so geschockt sei sie gewesen, als ihr ein Mitstudierender Einzelheiten über das Sondervermögen verraten habe, das Deutschlands Infrastruktur aufpolieren, die Grundlage für ein modernen Abtreibungsrecht schaffen, die Unterstützung junger Familien und die soziale Sicherheit Älterer gewährleisten, die keine Arbeits- und Obdachlosigkeit bekämpfen und es Jugendlichen ermöglichen soll, in einer hochmodernen Bundeswehr für die Verteidigung des Vaterlandes einzustehen. 

"Bis dahin war ich der Überzeugung, dass wie als Jugend dankbar sein können, dass die Generation unserer Eltern und Großeltern sich bemüht, uns ein intaktes Land zu übergeben."  Eine oder zwei Billionen Euro neuer Kredite schienen Müller dafür kein zu hoher Preis. "Es geht ja darum, dass wir in einer intakten Gesellschaft leben." Schon allein der Umstand, dass Deutschland im Jahr mindestens eine halbe Million Einwanderer benötige, um am Laufen gehalten werden zu könne, bedeute ja, dass "wir attraktiv sein müssen, gute Angebote für Fachkräfte aus fremden Ländern machen und die auch ein bisschen umwerben müssen."

Konstruktiv und mitwirkungsbereit

Sie selbst spüre in sich eine ziemlich hohe Identifikation mit dem vereinigten Deutschland, ohne deshalb keine kritische Positionen beziehen zu wollen. "Auch unter einem großen Teil meiner Freunde gibt es eine große konstruktive Mitwirkungsbereitschaft", sagt sie. Der Grundgedanke der Demokratie sei selbst bei denen verankert, die zu linken und rechten Extrempositionen tendieren. "Im Alltag hat die Skepsis zugenommen, bei manchen überwiegt sogar das Misstrauen, aber wenn jemand wie Robert Habeck kommt oder Friedrich Merz und sagt, wir brauchen Mut zur Umsetzung kühner Pläne und
dieses zukunftsweisenden Prinzips, dann vertraut man dem gern seine Zukunft an."

Doch gerade bei den Älteren herrsche eben auch nicht selten Furcht, die Jugend könnte alles anders machen wollen und sich mehr an westlichen Vorbildern orientieren. Eine Romantisierung des Sozialismus, sogar des Kommunismus, in dessen Namen Millionen Menschen ermordet und unterdrückt worden sind, führt Mia Müller auf eine tiefsitzende Sehnsucht ihrer Altersgenossen nach einer gerechten Welt mit absoluter Gleichheit für alle zurück. 

"Es wird einem ja als Kind schon vorgebetet, dass Wünsche die Welt verändern und am Ende alle Staaten wie wir werden, wenn wir nur ein richtig gutes Vorbild sind." Diese vermeintlich globale Vorbildwirkung gehört zu den Gründungsmythen der Bundesrepublik. Sie hat ihren Ursprung in der Nachkriegszeit, als sowohl West-wie Ostdeutschland sich mit aller Kraft bemühten, zum Musterschüler ihrer jeweiligen ideologischen Lager zu werden. Aus den Anhängern Hitlers wurden die besten Demokraten. Aus NSDAP- und HJ-Mitglieder gläubige Kommunisten. "Für uns als junge Leute waren das immer Orientierungspunkte."

Umso härter hat Mia Müller das getroffen, was sie einen "Verrat" an denn gemeinsamen Werten von Alt und Jung nennt. Viel zu spät erst habe sie bemerkt, dass mit dem Sondervermögen, auf das sich Union, SPD und Grüne noch mit der abgewählten Mehrheit des alte Bundestages geeinigt hatten, eine direkte Zahlungsverpflichtung für sie selbst verbunden sei. 

"Bei einer Überschlagsrechnung bin ich auf 50.000 Euro gekommen, die das Ganze kosten wird", formuliert sie ihre Enttäuschung darüber, dass die von SPD und Union geplante Aufnahme von neuen Krediten für sie selbst ein teurer Spaß zu werden drohe. Bisher habe sie nur rund 10.000 Euro gespart, das reiche also bei weitem nicht. "Und wenn man sich die demografische Entwicklung anschaut, dann wird es ja nicht so sein, dass sich diese Last von fast fünf Billionen Euro Schulden in 20 oder 40 Jahren auf mehr Schultern verteilen."

Mia Müller sieht sich selbst als "Melkkuh, für die, die heute keine Lust haben, noch einmal selbst anzupacken, um eine bessere Zukunft zu bauen, "nachdem sie das ganze Land heruntergerockt haben und uns nur Trümmer hinterlassen." Die hübsche Junge Frau kann fuchtig werden, wenn sei über Frieden, Freiheit und Demokratie spricht, die aus ihrer Sicht als "Mäntelchen" missbraucht würden, um kommenden Generation  unter Zwang erdrückende Lasten aufzuerlegen.

"Die Einwohnerzahl Deutschlands wird sich durch die geringe Anzahl Kinder innerhalb der nächsten Generation so stark verringern, dass sich die Schuldenlast der verbliebenen Leute verdoppelt." Statt zum Symbol des Neuaufbaus des Landes zu werden, das noch vor einigen Jahren sollten als das beste aller Zeiten galt, drohen die Sondervermögen aus ihrer Sicht, jeden Enthusiasmus zu ersticken, mit dem jugendliche aus den Parteinachwuchsorganisationen, Parteilose, Arbeiter, Bauern, Neulehrer, Christen Muslime und Atheisten gemeinsam eine Heimat aufbauen könnten, in der nicht nur privates Glück, sondern auch kollektive politische Stabilität Wirklichkeit werden.

"Wir Jungen haben doch mit diesem Gewicht auf den Schultern nur noch wenig neue Gestaltungsspielräume", beklagt sich Mia Müller. Dass die Billionen den Heranwachsenden zugute kämen, habe sie lange geglaubt, doch die erdrückend hohe Summe mache ihr nur noch Angst. "Wir sollen wird die Stafette der Errungenschaften weitertragen, wenn unsere künftige Gesellschaft eine sein wird, die in den starren Formen der durch Merz, Klingbeil und Dröge festgelegten Formulierungen des Grundgesetzes gefangen bleibt?"

Mia Müller wehrt sich gegen den Gedanken, hilflos zu sein. "Ich erwarte von unserer Führung, dass sie einsieht, dass sich auf der Grundlage des Geschaffenen neue Bedürfnisse entwickelt haben und die junge Generation keine utopische Versprechungen hören will, sondern ein wirklich mobilisierendes Konzept, bei dem die Umsetzung ihrer Wünsche im Mittelpunkt steht." Mit Propaganda über einen fundamentalen Generationenkonflikt hinwegtäuschen zu wollen, würden die jungen Leute im Land nicht dulden. "Wir sind die, die später die Rechnung bezahlen müssen", zeigt sich Mia Müller fest entschlossen, "also wollen wir auch die sein, die bestimmen, was bestellt wird."

Freitag, 28. März 2025

Wehrkraft-Wörterbuch: Verbalbomben für den Meinungskrieg

In welchem Europa willst Du morgen aufwachen
Jeder Bürger hat die Wahl, in welchem Europa er morgen erwachen möchte.
 

Es fällt vielen Menschen immer schwerer, auf der Höhe der bewegten Zeit zu bleiben. Gewissheiten schwinden. Fronten verschwimmen. Die Mitte paktiert mit der moskautreuen Linken, um Friedensforderungen aus Amerika standzuhalten, dessen Präsident mit der deutschen Rechten unter einer Decke steckt. Die regieren mittlerweile auch in Belgien, in Brüssel aber ist eine Christdemokratin aus der AG Sozialdemokraten in der Union am Ruder, die sich kurz vorm Wetterwechsel noch schnell in eine neue Amtszeit gerettet hat.  

Neue Begriffe für alte Umstände machen die Runde. Frieden ist eine Bedrohung. Krieg eine Zukunftsperspektive. Geld ist keins da, aber für Waffen reicht es. Was versprochen wurde, wird gebrochen, der Fachbegriff ist "Kompromiss". Das Klimageld ist nicht weg, es hat nur ein anderer. Aus der GroKo wurde die Ampel, die als rot-grüne Fußgängerampel weiteramtiert, künftig aber als Schuko regieren will, formell dann ohne die Grünen.

Sich zurechtzufinden, ist schwer geworden. Die Vielzahl neuer Begriffe und neuer Bedeutungen, die altbekannte annehmen, verwirrt und verunsichert.  Doch Bundesworthülsenfabrik (BWHF) hat deshalb einen Glossar erstellt, der die aktuell richtigen Begriffen für die richtigen Anwendungsfälle aufführt. Die zutreffenden Beschreibungen und zulässigen Wort seien am besten auswendig zulernen, empfiehlt die untere Bundesoberbehörde, die auf das Internet verweis, wo stündlich neuproduzierte sogenannte Neozoten aus den Begriffsschmieden in leichter Sprache vorgestellt werden. 

Die wichtigsten Verbalbomben für den Meinungskrieg hat die BWHF nachfolgend zusammengestellt.  Rainald Schawidow, Chef der BWHF in Berlin und Autor der erfolgreichen Bücher "Wörterbuch des Unmenschen" und der "Übersetzungshilfe Krisisch - Deutsch" arbeitet derzeit an einem neuen Sammelband, der ein "aktuelles Lexikon der Leitsprache unserer Demokratie" werden soll, wie er vorab erklärt hat.

Sondervermögen - im alten Duden als "Schulden" bezeichnet, von früheren Kaufmannsgenerationen auch "Soll" genannt. Sondervermögen bezeichnen Verbindlichkeiten außerhalb des Haushaltes, die durch den neuen Begriff mental als Guthaben betrachtet werden können. Im Alltag entspricht ein Sondervermögen einer offenen Rechnung beispielsweise in einer Kneipe oder bei einem Urlaubsanbieter. Die legendäre Schuldenbremse bleibt dadurch fest angezogen, zugleich kann Geld nahezu unbegrenzt ausgegeben werden, ohne deshalb anschließend nicht mehr da zu sein.

Putinversteher - früher verwendeten  deutsche Medien den Begriff "Russenfreunde", später auch die grobe Formulierung "Sowjetknechte". Politisch heikel, denn die Lenins, Stalins und Putins gehen, das russische Volk aber bleibt vermutlich auch diesmal. Um die anvisierte Tätergruppe, deren gemeinsames Merkmal die Herkunft aus dem Osten ist, als überaus verachtenswert zu kennzeichnen, entstand der  neue Begriff. Er hat auch das deftige "Scheissrussen", das zuweilen als beleidigend empfunden worden war, in der deutschen Mediensprache komplett und rückstandslos ersetzt und hilft damit, Vorverurteilungen vermeiden helfen. 

Wehrkraftertüchtigung - nach dem Versuch, mit der Bezeichnung "kriegstüchtig" Sympathiepunkte für mehr Wehrwillen und Opferbereitschaft in der Öffentlichkeitsarbeit zu sammeln, musste schnell umgeschaltet werden. Die Zeit war noch nicht reif, gerade viele "junge Männer"®© meldeten sich nicht etwa bei den letzten Kreiswehrersatzämtern, sondern bei Gemeinsinnsendern, um dort als wehrunwillige Friedensaktivisten aufzutreten. Die neuen Spezialvokabel soll motivierend  wirken und durch den Wortstamm "Wehr" an alte Zeiten erinnern, als die Mädchen noch fernster und die Türen öffneten, wenn Soldaten vorbeimarschierten.

Blitzkrieg - an Panzern, Drohnen, Geschützen und Raketen fehlt es, vor allem aber an Menschenmaterial. Schon warnen Wehrexpert*innen, dass das nach Eintreffen der ersten 3.000 neuen Panzer das Bedienpersonal bei der Bundesweh knapp werden könnte. Dem Fachkräftemangel will das Heer mit schnellaufgebildeten sogenannten "Blitzkriegern" entgegentreten  Wie "Wehrwilligkeit" und "Wehrkraft" spielt das Wort mit familiär oft über Generationen weitergegeben Geschichten von Opa und Uropa. Der lange gepflegte stark pejorative Anklang als zentrales Merkmal der in Deutschland pflichtschuldigen Erinnerungsübung hat sich noch nicht völlig verloren, ist aber wie geplant auf dem Rückzug.

Nachrüstung - ersetzt das verschlissene "Aufrüstung" aus der Giftküche der früheren Friedensbewegung, die inzwischen als Versammlung von "Putinfreunden" jede moralische Legitimation verloren hat. Nachrüstung impliziert einen Zugzwang, Angela Merkel hätte eine "Alternativlosigkeit" angeführt. Nach Angaben der BWHF soll der Begriff an die 80er Jahre erinnern, als Helmut Schmidt seine SPD in die finale Phase des Rüstungswahnsinns des kalten Krieges führte. Die deutschen Sozialdemokraten versagten ihm den Gehorsam, der Kanzler stürzte, doch ihm nach fielen die Staaten des Warschauer Paktes. 

Kriegstüchtigkeit - von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 selbst verkündete geistig-moralische Wende 2.0. Seitdem Grundpfeiler der deutschen Entsagungsbemühungen im Ringen mit den "Beschwernissen" (Steinmeier) der Gegenwart. Wird von der selbsternannten "Gesellschaft für deutsche Sprache" Ende des Jahres zum Wort des Jahres 2025 gekürt werden.  Medial aber funktioniert der Begriff bereits reibungslos. Die Bevölkerung steubt sich noch.

Bundespflichtdienst - ein Fantasiebegriff, den die BWHF-Worthülsendreher aus dem "Bund" für "Bündnis" (gemeint ist hier die Nato), dem alten deutschen "Pflicht" für wollen müssen und dem Wort "Dienst", abgeleitet von der Bezeichnung eines Mitglieds des Hausgesindes (veraltet: Domestike) zusammengeschraubt haben. Entstammt dem althochdeutschen Verb phlegan für Aufsicht führen, leiten; ausüben, betreiben und spielt mit der Möglichkeit, der "unserer Demokratie" etwas zurückzugeben. Der Bundespflichtdienst ist kein Wehrdienst, er beschreibt vielmehr eine Breitbandanwendung, die sich auf alle denkbaren Möglichkeiten des Domestikendaseins.

Festung Europa - Ersatz für "Schengen-Raum", der allerdings als Vertragswerk theoretisch erhalten bleibt. Das früher ausschließlich abwertend genutzte Fantasiewort, ein Favorit von Reichsbürgern, Rechten und Identitären, hat wegen der Angriffe aus Amerika auch seinen Niederschlag in den bisher vorliegenden Koalitionspapieren der kommenden SchuKo gefunden. Dort wird es in der Übersetzung als "souveränes Europa" verwendet. Nicht im Duden vermerkt, weil nur als Wortgruppe verfügbar. 

Der perfekte Steuersturm: Tiefer Griff in die Tasche

Helmut Kohl wurde einst als "Umfaller" verspottet. Friedrich Merz kann das nicht passieren. Er hat nie gestanden.

Das wird ein richtig teurer Spaß für alle, die nach fünf Jahren Reallohnverlust und drei Jahren Rezession noch etwas übrig haben. Wie immer, wenn Union und SPD über eine Koalition verhandeln, einigen sich die beiden früheren Volksparteien auch diesmal nicht in der Mitte. Lautete die Formel vor 20 Jahren noch null Umsatzsteuererhöhung plus zwei Prozent Umsatzsteuererhöhung ergibt eine Umsatzssteuererhöhung von drei Prozent, dürfte es diesmal noch ein wenig schmerzhafter werden.  

Finanzierung von Träumen

In den laufenden Gesprächen über die Finanzierung der künftigen Träume von Wirtschaftsaufschwung, Entlastungen der arbeitenden Mitte und Aufrüstung bei Bundeswehr und Brücken, greifen die drei angehenden Regierungsparteien wieder denen in die Tasche, denen sie im Wahlkampf Erleichterung, niedrigere Steuern und mehr Gerechtigkeit versprochen hatten.

Nichts im Portemonnaie bleibt diesmal unberührt. Friedrich Merz, der die früher weltweit beneidete Wohlstandsnation mit seinem "großen Sprung" hatte vitalisieren und dynamisieren wollen, nahm mit den Supersondervermögen erst Abstand vom Versuch, irgendwo zu sparen. Im nächsten Zug arbeitet er nun die Wunschliste der deutschen Sozialdemokratie nach mehr Geld für alles ab.

An Omas Häuschen ran

An Oma ihr klein Häuschen will er ran, an die Abgeltungssteuer von 25 Prozent plus 5,5, Prozent Solizuschlag auf 30 Prozent plus Soli erhöhen. Der Spitzensteuersatz soll auf 47 Prozent, der Reichensteuersatz auf 49 geschraubt werden. Die Schuko-Koalition wird die Vermögenssteuer wieder einführen - "Revitalisierung" ist der Begriff, den die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) dafür vorgeschlagen hat. Dazu soll eine Finanztransaktionssteuer jeden Versuch, privat durch Aktien- oder Fondskäufe fürs Alter vorzusorgen, mit Hilfe zusätzlicher Kosten verhindern helfen. Gewinne aus Kryptoanlagen, bisher nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei, werden künftig komplett besteuert.

Die Koalitionsverhandlungen werden zum Gruselkabinett für Sparer und Eigenheimbesitzer, für Bitcoin-Halter und überhaupt alle, die noch irgendetwas besitzen, auf das die Regierung keinen ersten, zweiten oder wenigstens dritten Zugriff hat. Wem vom Verdienten etwas übrigbleibt, von dem er glaubt, es sei besser, es auf die hohe Kante zu legen, man weiß ja nicht, was kommt, der darf von der Hälfte, die nach Steuern und Abgaben bleiben, künftig ein Drittel der Zins-, Kurs- oder Dividendengewinne an den Finanzminister abführen. 

Beschämend für die Linkspartei

Wer ein Haus, das er länger zehn Jahre besessen hat, verkauft, zahlt auf den möglichen Wertgewinn, denn die bisherige Spekulationsfrist fällt weg. Als habe Merz alles vergessen, was er im Wahlkampf versprochen hat, bekommt es Deutschland mit einer Enteignungsorgie zu tun, wie sie vor der Bundestagswahl nicht einmal die Linkspartei angekündigt hat.

Es steht die größte Steuererhöhung seit 20 Jahren ins Haus, abgepolstert mit leeren Versprechungen. So soll der Grundfreibetrag um 1.000 Euro erhöht werden. Bis 13.000 Euro Einkommen - etwa 1.000 Euro im Monat - würde dann keine Einkommenssteuer mehr fällt. 1.000 Euro Lohn oder Gehalt entsprechen bei einem Vollzeitbeschäftigen einem Stundensatz von unter zehn Euro, 2,41 Euro unter dem Mindestlohn. Als Sahnehäubchen obendrauf gibt es ein staatliches Almosen zur Vermögensbildung: Zehn Euro jeden Monat für jedes Kind zwischen sechs und 18. Summa summarum nicht ganz 1.500 Euro bis zur Volljährigkeit, weil Vater Staat mit dem neuen "kapitalgedeckten Altersvorsorgedepot" den Eindruck zu erwecken versucht, ihm sei daran gelegen, dass Menschen helfen, den demografischen Druck auf das Rentensystem zu vermindern.

Leistung muss bestraft werden

Das Gegenteil ist der Fall. Aus den Unterlagen über die Koalitionsverhandlungen, die Frag den Staat ins Internet gestellt hat, ergibt sich das Bild eines Regierungsbündnisses, das alle Hemmungen fahren lässt, um eins werden zu können. Die SPD hat sich von der erfolgreichen Arbeiterpartei zum Neidbündnis für Beamte, Behördenmitarbeiter und Parteisoldaten gewandelt. Jetzt, weitgehend befreit von all den Menschen, dies ie einst zurstärksten partei gemacht hatten, zeigt sie nach ihrem unerwarteten 16-Prozent-Triumph bei der Bundestagswahl, dass sie jede Art Leistung missachtet. Jeder, der etwas leistet, ist für die SPD-Spitze moralisch schuldig und streng zu bestrafen. 

Die Partei, die früher das westdeutsche Aufstiegsversprechen verkörperte, will die finanzielle Zukunft der jungen Generation nicht nur durch neue Schuldenlasten zu bedrohen gedenkt, sondern auch durch die Enteignung aller, die glauben, sie könnten den von einer schlechten Politik verursachten Wohlstandsverlusten ausweichen, indem sie für sich selbst sorgen.

Ideal des betreuten Menschen

Diese Rechnung ist ohne die Nomenklatur der SPD-Führung gemacht, die aus ihrer eigenen Blase ein vollkommen andere Welt sieht als einfache Menschen, die hart für jeden Euro arbeiten und sich leise über jeden Cent freuen, den ihnen emsiges Sparen zusätzlich einbringt. Das Ideal der Erben von Herbert Wehner, Willy Brandt und Helmut Schmidt ist der betreute Mensch, der sich von der warmen Hand sozialdemokratischer Funktionäre Wohltaten zuteilen lässt und glücklich ist. 

"Politik hat die Aufgabe, das tägliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu regeln - so sieht es das Grundgesetz vor", hatte vor Jahren schon eine Parteizeitung weitsichtig orakelt - auch in der SPD-Ausgabe des Grundgesetzes stand nichts dergleichen. Aber wie sich erst in diesen Tagen gezeigt hat: Nichts geht schneller, als die deutsche Verfassung zu ändern.

Das Ziel aller Bemühungen ist deutlich zu erkennen. Statt Leistungsträger heranzuziehen, setzen SPD und Union mehr noch als die Ampel darauf, jedermann zum Bedürftigen zu machen, den nur die Hile des "starken Staates" am Leben halten kann. Ist erst jeder Leistungsträger zum Leistungsempfänger geworden, wird sich auch niemand mehr darüber beschweren, dass ein vormundschaftlicher Staat gar nicht auf dem Wahlzettel stand.

Unverhohlen gegen die Bürgerrechte

Für die, die es nicht abwarten können, haben sich die Schuko-Koalitionäre etwas Besonderes ausgedacht. Der Rückbau der Meinungsfreiheit nimmt unter Schwarz-Rot noch einmal kräftig Fahrt und Geschwindigkeit auf. Diesmal geht es unverhohlen gegen die Bürgerrechte: Das Informationsfreiheitsgesetz, das staatliche Institutionen zur Transparenz verpflichtet, wird abgeschafft. Erneut kommt es zur Verschärfung des Strafrechts, um bestimmte, nicht genauer bezeichnete Äußerungen zu unterbinden. Wer nicht hört, soll mit dem Entzug der Bürgerrechte bestraft werden.

Dass das Lieblingsprojekt aller roten und schwarzen Innenpolitiker, die schon vor so vielen allerhöchsten Gerichten so viele Tode gestorbene Vorratsdatenspeicherung, wieder ins Leben zurückkehrt, ist ausgemacht. Auch die gute alte Quellen-TKÜ ist wieder da, die ausgerufene "Zeitenwende in der Inneren Sicherheit" öffnet ein Fenster zum Totalitarismus, denn wo "multiplen Bedrohungen von außen und im Innern" zu sehen sind, müssen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden mit neuen Befugnissen ausgestattet und personell aufgestockt werden. 

Mielkes feuchter Traum

Es braucht eine Speicherpflicht für IP-Adressen, "für bestimmte Zwecke" und "unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben und digitaler Souveränität" auch eine automatisierte Datenrecherche samt "nachträglichem biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels künstlicher Intelligenz". Und neben "mehr Datenaustausch zwischen Sicherheitsbehörden", das ist eine Geste nach Magdeburg, Aschaffenburg und Wangen" die "frühzeitige Erkennung entsprechender Risikopotentiale bei Personen mit psychischen Auffälligkeiten". 

Das vor der Wahl von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann geforderte "Register für psychisch kranke Gewalttäter" ist das nicht, es hat bisher noch gar keinen Namen. Eine besonders schönen trägt dafür der "Pakt für Bevölkerungsschutz" , eine Neuauflage eines Worthülsenklassikers, der in der Reger verwendet wird, wenn die propagandistische Wirkung aller Zehn- und 15-Punkte-Pläne verpufft ist. Jegliches hat seine Zeit, die der "Messergewalt" (Welt) aber ist abgelaufen: In den Dokumenten der "AG 1 Inneres, Recht Migration" findet sich das Wort nicht.

Digital, ambitioniert, souverän

Hier werden größere Dinge verhandelt, sehr viel größere. Deutschland wird künftig "digital, ambitioniert, souverän" sein, in dem "wir Schlüsseltechnologien entwickeln, Standards sichern, digitale Infrastrukturen schützen und ausbauen". Nimm das, Amerika! weg mit Windows, Apple, Starlink, der Amazon-löoud und Faecebook. Wer da vor dem inneren Auge nicht Lars Klingbeil und Phillip Amthor sieht, wie sie gemeinsam Robert Habeckes Idee eines "europäischen Google" aus gebrauchten Teilen des Transrapid zusammennageln, hat nie verstanden, was "europäisch integrierte und resiliente Wertschöpfungsketten für Schlüsselindustrien, von Rohstoffen über Chips bis zu Hard- und Software" sind. 

Merz, Klingbeil, Esken und die anderen Verhandler sind fest entschlossen. "Wir werden Deutschland auf die digitale Überholspur bringen", darauf konnten sie sich schnell einigen. Mit höheren Steuern für Leistungsträger würden "die Bedingungen für anwendungsorientierte Forschung, Gründung und Transfer" verbessert und erreicht, "dass Wertschöpfung vermehrt in Deutschland und Europa stattfindet". 

Der neue Spitzenstandort

Dank teurem Strom und endloser Genehmigungsfverfahren, fehlender Digitalkonzerne und der Schwieirgkeit, in der EU Risikokapital zu beschaffen, wird es auch schnell gehen mit dem anvisierten Ausbau der Rechenkapazitäten, dem Heben von "Datenschätzen" und der Verwandlung Deutschland in einen "Spitzenstandort für digitale Zukunftstechnologien", zu denen die Koalitionäre nicht nur Künstliche Intelligenz, sondern auch "Quanten, Robotik, etc." zählen. 

Als Musterfall wird die "Deutsche Verwaltungscloud" (DVC) "mit souveränen Standards realisiert", die "Austauschbarkeit sichern und unkontrollierte Datenabflüsse verhindern". Eines Tages, werde der Zugang zur Verwaltung über die automatisch bereitgestellte Deutschland-ID und die sichere eID/EUDI-13-Wallet möglich sein. Wer da nicht mit nostalgischen gefühlen an die De-Mail denkt, hat deutsche Technik nie geliebt. 

Der Fiskus freut sich mit 

An Geld, um es zum Fenster hinauszuwerfen, wird es auch diesmal nicht fehlen. Aus Angst, die rente könnte nicht reichen, setzen immer mehr junge Menschen auf Aktien und ETFs als langfristige Absicherung für das Alter. Je besser es für sie läuft, desto besser läuft es auch für den Bundesfinanzminister. 

Ohne dass es die später Betroffenen heute schon merken, freut sich der Fiskus mit: Fünf Prozent mehr Abgeltungssteuer beim durchschnittlichen Anlagevermögen eines 27-Jährigen von etwa 5.000 Euro sind bei einem Ertrag nur um die sieben Euro. Erst viel später, wenn es sich für den Steuerstaat lohnt, wird es wehtun. Dann aber werden SPD und CDU vielleicht schon nicht mehr da sein. In der Regeierung. Im Bundestag. Oder überhaupt.

Sie tun daür jedenfalls, was sie können.

Donnerstag, 27. März 2025

Verrat an der Ostflanke: Nun ist Polen auch verloren

Polen setzt das Asylrecht einfach mal so aus. Kritik an dieser Verletzung von Europa- und Vökerrecht gibt es nicht. Polen ist zu wichtig.

Die EU-Kommission sitzt mitten in Feindesland, im belgischen Brüssel ausgesetzt einer rechtsextremen Regierung. Dänemark hat sich brüsk abgewandt von den gemeinsamen Werten. die die dortige sozialdemokratische Administration jammert über eine Überforderung durch Schutzsuchende. Als Kniefall vor den Usurpatoren in Washington verstieg sich Regierungschefin Mette Fredricksen sogar zu der Aussage, sie "betrachte Massenmigration als eine Bedrohung für das Alltagsleben in Europa". Niemand hat ihr widersprochen, nicht einmal aus Deutschland kam ein Machtwort.

Kontinent im Rutschen

Da kippt etwas. Ein Kontinent gerät ins Rutschen. Österreich steht kurz davor, den Familiennachzug auszusetzen, der als unerlässlich für die immer gelingendere Integration von immer mehr Zufluchtsuchenden gilt. Das postfaschistische Italien versucht, die ihm zustehenden Geflüchteten in Albanien zu kasernieren. Gegen den Willen italienischer Gerichte, aber in vorauseilendem Gehorsam der EU gegenüber, die das Ausschaffen in exterritoriale Abschiebelager in ihrem sogenannten "Guantanamo-Plan" bereits verabschiedet hat, aber noch auf grünes Licht aus den angeschlossenen Hauptstädten wartet. Noch ein, zwei Jahre, vielleicht auch drei, dann wird es soweit sein. Wie in einem gemeinsamen rechtsraum wie Gleiches in der gesamten Eu gleich behandelt werden.

Doch die widerstrebenden Kräfte sind mächtig. Die wankende französiche Adminstration legt die Axt die Grundlagen Europas: Neben einer erneuten Überarbeitung des nach zehnjährigen Verhandlungen gerade erst fertiggestellten europäischen Migrationspakts will Emmanuel Macronn nun auch ran an das Schengen-Abkommen, ein Dokument, das lange sinnbildlich für Freiheit und Freizügigkeit in Europa stand. 

Griechenland hat einen Rechtsextremen zum  Flüchtlingsabwehrminister ernannt. Tschechien will die Grundrechte aller acht Milliarden Menschen weltweit einschränken und seine Türen für Bedürftige schließen. Und als wäre das nicht Bedrohung genug für eine Staatengemeinschaft, die sich mit dem Migrations- und Asylpaket bereits neun Jahre nach dem Beginn des großen Zustroms bietet "einen umfassenden und gemeinsamen europäischen Rahmen für die Migrationspolitik" (Ursula von der Leyen) gegeben hatte, schießt jetzt auch noch Polen quer.

Ausgerechnet Polen

Ausgerechnet Polen. Und ausgerechnet jetzt. Obwohl die deutsche Kommissionspräsidentin mehr alas deutklich geamcht hatte, dass sie die europäische Migrationspolitik nicht aus der Hand geben wird, provoziert die Regierung in Warschau die 26 Wertepartner mit einem demonstrativen Alleingang. Wegen einer vermeintlichen "Notlage" setzt die Regierung von Donald Tusk das in den europäischen verträgen, aber auch im Völkerrecht als unveräußerlich garantierte Asylrecht extralegal aus. In Polen dürfe nur noch Asyl beantragen, wer legal eingereist sei, hat die erst seit anderthalb Jahren regierende liberalkonservative Bürgerkoalition des alten europäishcen dauerfunktionärs Tusk mit zwei Oppositionsparteien kurzerhand verkündet.

Der Schritt richtet sich gegen Flüchtlinge, die aus Belarusdemfrüherenweißrussland und den übrigen Gebieten im Osten flüchten, um sich vor Putins Schergen in Sicherheit zu bringen. Tusk, lange Zeit als einer der vernünftigen Musketiere gelobt, die Europa vor den Angriffen aus Washington und Moskau schützen, wirft den Schutzsuchenden vor, von Putin eingeschleust zu werden, um sein Land zu destabilisieren. 

Schritt der Verzweiflung

Für Tusk ein Schritt der Verzweiflung: Als Deutschland vor einigen Monaten die Grenzkontrollen auf alle seine Landgrenzen ausweitete, obwohl das früheren Erklärungen nach unmöglich, aber auch vollkommen unsinnig ist, war der Ärger in Polen groß. Wer nach Deutschland nicht hineinkommt, ist verdammt dazu, in Polen zu bleiben. Noch größer wurde die Aufregung an der Nato-Ostflanke, als Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Wahlkampf versuchte, mit seinem Versprechen der Schließung der deutschen Grenzen und der Zurückweisung aller Flüchtenden am rechten Rand zu fischen. 

Ministerpräsident Donald Tusk protestierte laut und empört gegen den geplanten "inakzeptablen Verstoß gegen das Schengen-Abkommen für freies Reisen innerhalb der EU". Der 67-Jährige, mit allen politischen Wasser gewaschen und mit der vor 20 Jahren versprochenen Einführung des Euro in Polen gescheitert, erfüllte damit alle Erwartungen, die das freie und demokratische Europa mit seiner Rückkehr nach Warschau verbunden hatte. Nach Jahren der Herrschaft der rechtspopulistischen PiS der Kaczyński-Brüder, die aus deutscher und europäischer Sicht einen autoritären Staatsumbau vorantrieben, durch den zuallererst die unabhängige Justiz beseitigt wurde, kehrte mit Tusk ein ausgebildeter Demokrat in den Warschauer Regierungspalast zurück.  

Peinliche Flucht vor dem Volkszorn

Vergessen waren die peinlichen Umstände, die den studierten Historiker 2014 zur Flucht nach Brüssel gezwungen hatten: Mitglieder seiner Regierung waren bei Absprachen über zu stürzende Widersacher, beim Schmieden von Plänen zur Aufhellung der Stimmung der Bevölkerung mittels Notenpresse und beim Hetzen gegen den seinerzeit noch demokratisch geführten amerikanischen Verbündeten ertappt worden. Wie einst Cem Özdemir nach seiner Krawattenaffäre überwinterte Donald Tusk im europäischen Exil. Und nach seiner Rückkehr nahm er den "Kampf um die Demokratie in dem EU-Land" (Die Zeit) sofort wieder auf. 

Polen wurde zu Europas Musterschüler: Wehrhaft, weltoffen und kriegstüchtig überwand das Land den üblen Ruf, den die vielen Schlagzeilen über den schrecklichen Demokratieabbau im Nachbarland bei Deutschen erzeugt hatten, die immer noch Vorurteilen über faule Polen anhängen. Deren Begeisterung für Regierung unter PiS-Rechtsfaschisten stieß in Deutschland auf breite Ablehnung, auch das Festhalten des Nachbarn an seinem Zloty wurde als Affront begriffen. "Als ob unser stabiler Euro ihnen nicht gut genug ist", schimpften Menschen in Bautzen und Essen. Doch alle Bemühungen der EU, die bockigen Polen zu ihrem eigenen Besten erziehen, fruchteten nicht. Erst Donald Tusk brachte Besserung.

EU-Feinde ohne Mehrheit

Aber eben nur kurzzeitig. Nach acht Jahren an der Macht verlor die Partei von Jarosław Kaczyński die Macht. Sie bekam zwar die meisten Stimmen. Verlor aber die Mehrheit im Sejm und fand keine  Koalitionspartner, die mit ihr weiter auf einem Kurs steuern wollten, der Polen zur Atommacht machen sollte, sich für Vertragsverletzungen nicht entschuldigt und die großen Medien im Land als Magd benutzt, die Größe und die Schönheit der eigenen Agenda zu propagieren. 

Tusk kam als Weißer Ritter, ein Unbestechlicher, der die Rückkehr zu den gemeinsamen europäischen Werten versprach, die polnischen Grenzen mit "brutalen Pushbacks" (HRW) vor Schutzsuchenden abschirmte und die von Jarosław Kaczyński erfundene Legende von der russischen Fleischwaffe mit weitaus größerer Überzeugungskraft an die EU-Partner verkaufte. Den immer noch als "liberal" bezeichneten Regierungschef hat das offenbar in seiner Überzeugung bestärkt, dass Polen als Frontstaat im äußersten Osten der EU keinerlei Nachfragen oder gar Proteste mehr fürchten muss, wenn das Land aus innenpolitischen Gründen  ohne Ankündigung oder Absprache mit den Partnern eigene Wege geht.

Aussetzung der Asylregeln

Für die Aussetzung der Asylregeln führt Tusk eine Überforderung durch die Vielzahl der Zuströmenden an - knapp 1,300 Personen waren es im Februar, hochgerechnet auf das Gesamtjahr müssten die 36 Millionen Polen mit fast 16.000 Neuankömmlingen rechnen. Das wäre etwa ein Vierzehntel der Anzahl, die Deutschland im vergangenen Jahr aufgenommen hat - anders gesagt: In Deutschland kam ein Neuankömmling auf 36 Einwohner. In Polen wird es in diesem Jahr einer auf 2.250 Einwohner sein. 

Dass der polnische Präsident Andrzej Duda das "Gesetz zur Beschränkung von Asylanträgen" ohne weitere europa- und völkerrechtliche Bedenken in Kraft gesetzt hat, ähnlich schnell wie Walter Steinmeier in der vergangenen Woche die Grundgesetzänderungen prüfte und bestätigte, spricht dafür, dass alles daran in Ordnung ist. Duda, einst Gefolgsmann der rechtspopulisten, ließ daran auch gar keinen Zweifel: "Ich habe unterzeichnet, weil ich denke, dass dies notwendig ist zur Stärkung der Sicherheit unserer Grenzen, schrieb er bei X.

Nur deutsche Pläne sind inakzeptabel

Kritik aus Europa, das seit 2015 zielgerichtet darauf hinarbeitet, eine schnelle gemeinsame Lösung für den Zustrom zu finden, bleibt aus. So "inakzeptabel" bisher jeder deutsche Plan war, deutsche Grenzen zu schließen, so verständlich scheint die allumfassend mit dem Kampf gegen Russlands hybride Angriffe begründete Aussetzung von polnischen, europäischem und Völkerrecht selbst denen, die jeden Versuch, Grenzen auch nur ein wenig zu überwachen, als Attacke auf alle verbliebenen Grundwerte kritisieren. 

Gerade noch drängten die Grünen, Deutschland möge seine symbolischen Kontrollen an der polnischen Grenze umgehend einstellen. Sie seien "rechtlich nicht haltbar und ein offener Angriff auf die europäischen Grundwerte". Die SPD stellt sich in den Koalitionsgesprächen jeder Änderung des offenen deutschen Grenzregimes in  den Weg. Der EU-Partner Luxemburg hat vorsorglich auch schon gemahnt: Grenzkontrollen dürften nur "maßvoll" sein. Ganz anders der Tenor nach dem "Knalleffekt in der EU" (Heute). Still, ganz still bleibt es. Weder von den Grünen noch von den Linken noch von der
SPD kommt ein Einspruch gegen die Unterminierung aller gemeinsamen Werte und vertraglichen Verabredungen.

Betretenes Schweigen in Brüssel

Auch die Europäische Kommission, eigentlich Hüterin der Verträge, verkneift sich zaghaft jeden Kommentar zu der Entscheidung, die Polen im Dezember angekündigt hatte.  Polen führt derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat, Polen gilt zudem als eines von nur zwei, drei Ländern der EU, die vom Kreml als ernsthaftes Hindernis auf dem Weg zur 4.000 Kilometer vor Moskau liegenden Seefestung Sagres (Fortaleza de Sagres) betrachtet werden. Wenn Russland versuche, mit mehreren hundert eingeschleusten Geflüchteten im Monat "die Migration anzufachen, um Staaten zu destabilisieren" (Nancy Faeser), dann hat das so hybrid angegriffene Land auch jedes Recht, sich mit einem Bruch der europäischen Verträge gegen die Offensive zu wehren.

Außer, das Land heißt Deutschland.

Volle Soli: Kein Ende ohne Schrecken

Karlsruhe bestötigt Solidaritätszuschlag
Die Verfassungsrichter haben gesprochen: Solidarität kennt kein Verfallsdatum.

Kein Schrecken ohne Ende, aber wenn schon nicht für ewig, dann wenigstens für immer. Den Erblastentilgungsfonds, eine Art Sondervermögen, in das die Väter und Mütter der deutschen Einheit die Extrabelastungen durch den drohenden Wiederaufbau Ostdeutschlands verlagerten, hatte Angela Merkel bereits 2009 für erledigt erklärt. Die Einheitsschulden, 1995 ohne großes Aufheben eingerichtet und 171 Milliarden Euro schwer, seien "getilgt", verkündete die Kanzlerin. Die Einheit war vollendet, und nicht nur das. Eine deutsche Regierung hatte zudem den Beweis angetreten, dass sie Schulden nicht nur aufnehmen, sondern auch zurückzahlen könne. 

Bisschen Budenzauber

Ein bisschen Budenzauber war dabei, denn nicht unwesentliche Reste des negativen Sondervermögens landeten im allgemeinen Haushalt. Und nicht die Regierung hatte irgendetwas zurückgezahlt, sondern die Bürgerinnen und Bürger, denen damals schon im15. Jahr der Solidaritätszuschlag auferlegt war. Der warf allemal genug ab, um alles zu zahlen: Jahr für Jahr brachte die Sondersteuer auf die allgemeine Steuer zwischen 20 und 30 Milliarden ein. Bis zum Stichtag, an dem Merkel ihren Triumph verkündete, pünktlich ein paar Tage vor einer Landtagswahl, waren mit Hilfe von Einnahmen in Höhe von rund 400 Milliarden Euro immerhin 85 Milliarden Euro zurückgezahlt worden. 

Der Rest - durch Zinsen und Zinseszins ergab sich eine Höhe noch 156 Milliarden Euro - wurde einfach Teil der normalen Schuldenmasse des Bundes. "Die letzte planmäßige Verbindlichkeit des ELF steht 2011 an", hieß es in einem Bericht des Finanzministeriums. Mit diesen 50 Milliarden Euro sei dann aber wirklich alles erledigt. Die finanzielle Einheit vollendet. Die Erblasten getilgt.

Ein großer Sprung

Ein kleiner Schritt für eine Bundesregierung, die Jahr für Jahr mit Zahlen jongliert, die eine Null mehr haben. Ein großer Sprung auf dem Weg zur vollendeten Einheit. Die kam, als der erste Ostbeauftragte ernannt wurde. Als die erste Verfassungsrichterin aus dem Osten kam. Als offen diskutiert wurde, ob Ostdeutsche theoretisch dieselben Chancen haben sollten, hohe Staatsämter zu besetzen. Und bei der Vergabe von Orden genauso berücksichtigt werden sollten wie in Westdeutschland geborene Bürgerinnen und Bürger.

Die jüngste Generation, die in der DDR geboren wurde, geht heute auf die 40. Sie ist die letzte Generation vor dem Geburtenknick im Osten und die erste, die sich nicht mehr selbst an das Land erinnern kann, das vor unserer Zeit war und ohne Solidaritätzuschlag auskam. Heute 35- oder 40-Jährige kennen keine andere Welt als die, auf der an der Tankstelle nicht nur Umsatzsteuer auf die Benzinsteuer fällig wird, sondern auch eine Soliabgabe auf die Einkommenssteuer. Sie wissen: Wem danach zu viel übrig bleibt, so dass er sich Akten kaufen und Dividenden kassieren kann, der wird noch einmal um Solidarität gebeten. Zahlt ihm ein Unternehmen 100 Euro Dividende, verschwinden davon nicht 25 Prozent, sondern 25 Prozent plus 5,5 Prozent für den guten Zweck in Vater Staats tiefen Taschen.

Steuersteuer mit schickem Namen

Doch wer wäre wohl angesichts dieser großen, aber auch großartigen Aufgabe geizig? Mit der Taufe der Steuersteuer auf "Solidaritätsabgabe" gelang es Helmut Kohls Regierung vor 30 Jahren nicht nur, die bis dahin provisorisch und auf ein paar wenige Jahre begrenzte neue Geldquelle dauerhaft sprudeln zu lassen. Wie einst die Sektsteuer, die weiterlief, als die kaiserliche Flotte, für die man sie gedacht hatte, längst untergegangen war, wurde der finanzielle Daueraderlass für Millionen Familien zur neuen Normalität.

In den 35 Jahren bis hierher haben deutsche Durchschnittsverdiener pro Kopf zwischen 20.000 und 30.000 Euro aus Solidarität an Solidaritätssteuern bezahlt. Allein die Niedriglöhner im Osten, von denen im Westen immer das Gerücht ging, er nehme nur, zahle aber nicht, kamen insgesamt mehr 100 Milliarden Euro zusammen. Das war es, was Helmut Kohl mit dem selbsttragenden Aufschwung gemeint hatte: So lange es Sachsen gibt, muss Sachsen für Sachsen zahlen, Brandenburg und Thüringen dito, denn gerade wer wenig hat, braucht viel Hilfe, weil ihm viel fehlt. Moralisch stand jederzeit außer Frage, dass die 20 oder 30 Milliarden im Jahr, die einfach zu dem anderen Geld in den ganz gewöhnlichen Haushalt wanderten, etwas Besonderes waren.

Gegen das Bröckeln

Keine andere Zwangsabgabe bewirkte so viel Gutes. Der liebevoll "Soli" genannte Extramalus für jeden Berufstätigen, jede Firma und jede Rentnerin, die ein paar Euro Zinsen einheimste, baute Autobahnen, Schnellzugstrecken und prächtige neue Ministeriumspaläste. Der Soli finanzierte nicht alle Blütenträume. Doch die Brücken verfielen zweifellos langsamer. Die Autobahnen bröckelten nicht ganz so schnell. Für Leuchttürme blieb ein bisschen Spielraum. Auch die Sicherheit kam nicht zu kurz.

Fünf Prozent mehr im Haushalt zu haben, ermöglichte den Bundesregierungen über zwei Jahrzehnte hinweg, mit mehr Fantasie zu wirtschaften als es der Fall gewesen wäre, hätte Helmut Kohl seinerzeit nicht die grandiose Idee gehabt, mit einer zusätzlichen Steuer auf die Steuern der Bürger den eigenen finanziellen Spielraum auszuweiten. Dass er den einfachen Leuten damit für drei Jahrzehnte die Last nahm, die sie hätten tragen müssen, wenn sie das Geld selbst hätten ausgeben müssen, mag dem Kanzler der Einheit nicht bewusst gewesen sein. Doch Millionen sind ihm dankbar.

Wie lange ist für immer?

Wie lange aber ist "zeitlich begrenzt"? Ist "zeitlich begrenzt" für immer minus ein Tag? Oder wann ist es vorbei? 2007 war die Zeit noch nicht abgelaufen, weil eine Ergänzungsabgabe nur zur Finanzierung eines aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes" mit der Verfassung vereinbar war. Ab 2021 ließ der Bund dann die meisten Zahlungspflichtigen von der Kette. Nur noch Einkommensstarke, Reiche, Firmen und Anleger von Kapital, die mehr als den staatlich zugelassenen Betrag von 1.200 Euro im Jahr leistungslos kassieren, mussten weiter zahlen. 

Da es sich nur noch um die oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen handelt, denen ein Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommenssteuer, auf Kapitalerträge und die Körperschaftsteuer nur ein Lächeln entlocken, schrumpften die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auch so schon genug: Aus 30 Milliarden wurden zuletzt magere 12,6 im Jahr. Mit Genugtuung sahen sich alle, die nicht jeden Monat zahlen müssen, entlastet. Divide et impera. Nach mehr als 2000 Jahren sind es die einfachen Wege, auf denen die Politik am schnellsten vorankommt.

Mehrbedarf ist immer

Dabei bleibt es nun auch weiterhin, denn auch das Bundesverfassungsgericht schloss sich der Auffassung der Richter des Bundesfinanzhofes von vor 18 Jahren an. "Der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes war bei Erlass des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags mit Wirkung zum 1. Januar 2020 noch nicht in evidenter Weise entfallen", urteilten die Karlsruher Richter nach einer Klage von sechs ehemaligen FDP-Abgeordneten. 

Ein Verweis auf die Sektsteuer findet sich in der Entscheidung über die Rückweisung der Klage des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht, aber die Sache ist auch so klar: "Zeitlich befristet" kann eine unbegrenzte Zeit umfassen. Damit ist der Solidaritätszuschlag auch in seiner seit 2021 erhobenen abgespeckten Form verfassungsgemäß. Der Staat darf beim Überverdiener aus dem Handwerk und bei der Seniorin, die ihre Rente mit einem Festgeldkonto aufbessert, zugreifen, wenn er denkt, dass er das Geld nötiger braucht. 

Solidarität als Ergänzung

Eine solche zeitlich begrenzt erhobene Sondersteuer, die Richter nennen sie "Ergänzungsabgabe", dürfe jedoch nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden. In Karlsruhe ist das Vertrauen in die Selbstkontrolle des Gesetzgebers groß. Der nämlich habe eine "Beobachtungsobliegenheit" und müsse aufhören, zu kassieren, sobald er meine, dass der Solidarität der Bürger nicht mehr bedürfe. Das sei der Fall, wenn der vor 30 Jahren prognostizierte "Mehrbedarf" wegfalle.

Eines Tages wird es so weit sein. Aber nicht heute, nicht in diesem Jahr, nicht in diesem Jahrzehnt. Bis etwa 2030 hat das Bundesverfassungsgericht eine Rechtfertigung für die Beibehaltung der Steuer auf die Steuer prognostiziert. 40 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung könne dann geschaut werden, ob es ohne gehe. Menschen, die 1990 ins Berufsleben eingetreten sind, werden dann bereits Rentner sein. Und bei entsprechendem beruflichen Erfolg von sich sagen können, dass sie jeden Monat gegeben haben, was sie mussten. Ein Durchschnittsverdiener, der im Leben auf rund 800.000 Euro an gezahlten Steuern kommt, wird dann zufrieden von sich sagen können, dass er zusätzlich für 50.000 Euro extra Solidarität geliefert habe.

Die Union wird handeln

Wenn ihm nicht die Union noch einen Strich durch die Rechnung macht. Denn Friedrich Merz war da i Wahlkampf sehr klar und seine Partei nicht minder. "Wir reduzieren Steuern", schrieben sich die früheren Konservativen ins Wahlprogramm, und "wir schaffen den Solidaritätszuschlag ab". Wer den Gang der Koalitionsgespräche bis hierher verfolgt hat, weiß, dass Merz kein Mann leerer Sprüche ist. 

Was der Münsteraner ankündigt, das wird auch gemacht. Nachdem der schlimmste Fall für den Bund nicht eingetreten ist - die Karlsruher Richterinnen und Richter hätten auch gegen den Soli entscheiden und die Bundesregierung zur Rückzahlung von rund 65 Milliarden Euro extralegal eingestrichener Einnahmen verurteilen können -, bietet der Haushalt alle Möglichkeiten, auf die Abgabe zu verzichten. Gemessen am Volumen der neuen Sondervermögen wirken die Einnahmen aus dem "Soli" inzwischen nur noch wie das Trinkgeld eines knauserigen Säufers.

Nein, Friedrich Merz braucht die paar Kröten nicht. Der künftige Kanzler wird sich zweifellos gegen den Widerstand der SPD durchsetzen und sein Wahlversprechen halten. Der Soli für den Osten fällt weg und ein Soli für die Bundeswehr kommt. Zeitlich begrenzt natürlich bis zum Angriff der Russen.